Nein, nein – es war keine Überraschung und es ist keine Überraschung. EZB-Chefin Christine Lagarde ist am Donnerstag nach der turnusmäßigen Sitzung der Währungshüter vor die Presse getreten. Sie hat die nächste Leitzins-Erhöhung bekanntgeben. Alle relevanten Schlüsselwerte wurden von der Europäischen Zentralbank abermals um einen halben Prozentpunkt angehoben.
Es gibt mittlerweile mehrere namhafte Kritiker der EZB-Geldpolitik. Es werden verheerende Wirkungen in der Real- und Finanzbrache erwartet. Die steigenden Zinsen verbunden mit der Inflation sowie der allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage werden für weitere Probleme sorgen. Es wird davon ausgegangen, dass die ständigen Leitzins-Erhöhungen den Abwärtstrend in der Wirtschaft beschleunigen und in eine langanhaltende Rezession führen. Richtig aber, dass das Gremium um Christine Lagarde momentan nur die Dinge tut, zu der die EZB verpflichtet ist. Sie muss mit ihrer Geldpolitik für stabile Preise sorgen bzw. dafür kämpfen. Genau dies ist der gesetzliche Auftrag der Europäischen Zentralbank.
Leitzins-Erhöhung war kein Selbstläufer
Im Vorfeld der Entscheidung waren Zweifel aufgekommen, ob die EZB ihren Weg fortsetzen wird. Es ist bekannt, dass das Entscheidungsgremium von Mitgliedern aus den südeuropäischen Staaten beherrscht wird. Die Länder gelten als allgemein inflationsaffin. Die strenge 2%-Regel ist den europäischen Südstaaten schon lange ein Dorn im Auge.
Problematisch in der Entscheidungsfindung war zudem, dass nicht nur die Konjunktur schwächelt, sondern gleichzeitig die Banken in eine Schieflage geraten sind. Die Negativ-Meldungen in den zurückliegenden Tagen haben im wahrsten Sinne des Wortes überhandgenommen. Genannt seien an dieser Stelle nur die Pleite der Silicon Valley Bank in den USA sowie die große Rettungsaktion zugunsten der Credite Suisse in der Schweiz. Der gesamte Finanzmarkt befindet sich momentan in unruhigen Gewässern. Ein, zwei weitere Negativmeldungen könnten für neue Turbulenzen sorgen, die die gesamte Branche in Mitleidenschaft ziehen.
Die wichtigsten neuen Leitzins-Sätze
Der Leitzins der EZB wurde wie beschrieben durchweg um 0,5 Prozent angehoben. Damit gelten ab sofort die folgenden beiden, relevantesten Zinssätze:
- 3,00 % als Einlagen-Zinssatz
- 3,50 % als Hauptrefinanzierungssatz
EZB wendet weiteres Unheil ab
Dass die Leitzins-Erhöhung unumgänglich war, ist zumindest in den Führungsriegen der wichtigsten Nationalbanken, unter anderem der Bundesbank, unumstritten. Es ist der einzig richtige Weg, die Inflation in den Griff zu bekommen. Die Zinsanhebung in dieser Woche hat aber noch einen zweiten positiven Nebeneffekt. Sie sorgt innerhalb der Investoren-Branche für Ruhe.
Hätte die EZB auf den angekündigten Schritt verzichtet, wäre viele Geldgeber der Meinungen gewesen, dass noch andere Großbanken „Leichen im Keller haben“, von denen die Währungshüter bereits wissen.
Banken-Sektor sei stärker als 2008 aufgestellt
Wer die Pressekonferenz von Christine Lagarde aufmerksam verfolgt hat, dem dürfte trotzdem ein Detail aufgefallen sein. Die oberste Geldchefin Europas hat mehrfach daraufhin gewiesen, dass die europäischen Banken im Vergleich zur Finanzkrise 2008 deutlich besser aufgestellt seien. Lagarde hat den Fakt schon fast beschworen.
Die hiesigen Kreditinstitute haben eine deutlich höhere Kernkapitalquote und sehr gut aufgefüllte Liquiditäts-Reserven. Trotzdem wollte die EZB-Chefin Bankturbulenzen im Euro-Raum nicht vollkommen ausschließen. Im Fall der Fälle habe die Europäische Zentralbank aber verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung, welche da wären:
- Reduzierung der Anleihen-Abschläge zur Besicherung von Geldleihgeschäften
- Ausweitung der Besicherungsmöglichkeiten für EZB-Kredite
Die Instrumente wurden von der EZB bereits während der Euro-Krise mit Erfolg eingesetzt.
EZB in gewisser Form „Schuld“ an aktueller Situation
In unserem Fazit können und wollen wir anmerken, dass die Europäische Zentralbank in den zurückliegenden Jahren wesentlich zur aktuellen Situation beigetragen hat. Die konsequente Nullzins-Politik und das Herbeireden einer möglichen Deflation war sicherlich falsch.
Die Europäische Zentralbank hat den Druck von den Finanzministern genommen. In der Eurozone war kein Staat wirklich bestrebt, deinen eigenen Haushalt in Ordnung zu bringen.
Parallel wurde das Risikobewusstsein an den Märkten sediert. Die Investoren waren immer auf der Suche nach der „kleinen Extrarendite“. Überdurchschnittliche Anlagesummen sind die risikobehaftete Anlagenformate geflossen, unter anderem in Immobilien- und EFT-Fonds, in Aktien- und Firmenanleihen, ein Kryptowährungen oder in Start-Up Unternehmen. Zahlreiche Anlegen standen und stehen auf wackligen Beinen bzw. sind mittlerweile komplett geplatzt. All die Dinge haben der Eurozone nicht wirklich gutgetan. In gewisser Form muss nun die Rechnung für die verfehlte Geldpolitik gezahlt werden.