Die Schweiz gilt nach wie als der wohl beste Finanz-Standort in Europa. Die Eidgenossen sind als sicherer Hafen für Anlagegelder bekannt, verbunden mit der typischen schweizer Verschwiegenheit. Beliebt ist die Schweiz aber auch bei Kreditnehmern. Die Kleinkredite – schweizer Kredite genannt – sind auch bei den deutschen Verbrauchern beliebt. Erstmals ist in unserem Nachbarland nun aber ein Fakt eingetreten, der die Finanzwelt aufhorchen lässt.
Die Schweizer Nationalbank, die SNB, vermeldet für das Geschäftsjahr 2022 zum zweiten Mal in ihrer 115jährigen Geschichte ein Minus. Noch nie hat es bisher in den Bilanzen einen höheren Fehlbetrag gegeben. Man kann daher mit Fug und Recht von einem historischen Finanz-Ereignisse in der Bankenwelt sprechen.
132 Milliarden Schweizer Franken im Soll – nach erster Berechnung
Die Nationalbank der Schweiz hat zu Jahresbeginn ihre erste vorläufige Berechnung zum zurückliegenden Geschäftsjahr vorlegt. Noch sind die Zahlen der SNB zwar nicht in Stein gemeißelt, das Minus steht aber fest. Aktuell gehen die schweizer Währungshüter davon aus, dass ihr Defizit in der Bilanz stolze 132 Milliarden Schweizer Franken (umgerechnet ca. 134 Millionen Euro) betragen wird.
Ein derartiges Loch in der Kasse der Schweizer hat es in den zurückliegenden 115 Jahren noch nie gegeben.
Auswirkungen auf die Kantone und den Bundeshaushalt
Das Minus in der bei der Schweizer Nationalbank ist nicht nur ein finanztechnisches Problem. Es wirkt sich direkt auf die Haushalte des Staates und der Kantone aus. Die SNB führt ihren Gewinn jährlich an den Staat ab, also in die Haushalte des schweizer Bundes und der Kantone. Die Politik konnte bisher verlässlich mit den Einnahmen planen. Noch im Vorjahr hat die Schweizer Nationalbank sechs Milliarden Franken ausgezahlt. In diesem Jahr müssen die Bundes- und die Kantonsregierungen indes auf jeglicher Gelder von der SNB verzichten. In der offiziellen Stellungnahme der Nationalbank heißt es, dass es keine Auszahlung von irgendwelchen Finanzmitteln geben wird.
Probleme auch bei anderen Zentralbanken
Mit dem Minus in der Kasse steht die SNB nicht allein da. Andere Zentralbanken steuern ebenfalls auf riesige Defizite zu, wobei die Summe in der Schweiz alle anderen Banken aber überragt. Probleme gibt’s rund um den Globus.
Die Europäische Zentralbank schätzt zum Beispiel, dass die Notenbanken der Euro-Ländern in den kommenden Jahren einen Verlust von ca. 100 Milliarden Euro anhäufen werden. Bei der FED in Amerika sieht es ähnlich aus. Auch in den USA wird davon ausgegangen, dass die Zentralbank in den kommenden Monaten auf einen Fehlbetrag von mindestens 100 US-Dollar kommen wird.
Der Grund für das Minus in der Schweiz und in anderen Staaten
Der Grund für das Defizit in der Schweiz sowie in den anderen Ländern ist recht einfach erklärt und zudem hausgemacht. Für das Minus sind die Zentralbanken selbst verantwortlich. Sie haben in den zurückliegenden Monaten die Leitzinsen mehrfach angehoben. Dies bedeutet, dass Sie den angeschlossenen Geschäftsbanken für deren Einlagen einen höheren Zins zahlen müssen.
Auf der anderen Seite stehen aber weiterhin Anleihen in den Bilanzen, die während der Niedrigzinsphase billig aufgekauft wurden. In Deutschland wurden Bundesanleihen sogar mit Negativzinsen angenommen. Die Papiere bleiben während der Laufzeiten unverändert. Daraus folgt, dass die Schweizer Nationalbank und alle anderen Zentralbanken momentan a) steigende Zinsen bezahlen und b) jedoch nur Papiere mit niedrigen Zinsen im eigenen Portfolio haben.
Schweizer Besonderheit: Aufwertung der Franken
In der Schweiz gibt’s zudem noch eine weitere Besonderheit, die letztlich – im Vergleich zu anderen Staaten – auch zum Mega-Verlust geführt hat. Der Wert der gehaltenen Papiere sowie vor allem Devisen ist drastisch gesunken. Die Schweizer Nationalbank stemmt sich seit mehreren Jahren gegen die Aufwertung der eigenen Währung. Hierzu werden immer wieder große Devisenaufkäufe (US-Dollar und Euro) vorgenommen. Mitte 2022 hatte die SNB einen Devisenbestand im Gegenwert von 950 Milliarden Franken angehäuft. Trotz der Verluste in den letzten Monaten beträgt der Wertstand aktuell noch immer 784 Milliarden Schweizer Franken.
Keine Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit
Erwähnt sei abschließend, dass das Defizit der SNB keine Auswirkungen auf deren Handlungsfähigkeit hat, im Gegensatz zu den Geschäftsbanken. In Australien hat die dortige Zentralbank 2022 ihr Eigenkapital sogar komplett aufgebraucht, ohne dass dies Folgen hatte. Letztlich fehlen nur die Transferzahlungen an die Staatskasse.