Umsätze, Gewinne, finanzielle Ausblicke, Rücklagen, Verbindlichkeiten, Forderungen – die Geschäftsberichte der Banken enthalten Zahlen über Zahlen. In den jährlichen Veröffentlichungen gibt’s aber auch immer wieder einige Details zu entdecken, die beim Leser zumindest für Kopfschütteln sorgen. Die Banken befassen sich im Geschäftsausblick mit Dingen, die unfassbar erscheinen.
Im neusten Papiere der Commerzbank wird im wahrsten Sinne des Wortes eine Apokalypse für den Hauptsitz in Frankfurt beschrieben. Wir haben uns die Vorstellungen der Commerzbank einmal näher angesehen. Vorausschicken wollen wir gleich, dass die Mitarbeiter des deutschen Kreditinstitutes entweder über ein wahnsinnige Phantasie verfügen oder zu viele Horror- und Actionfilme im Kino gesehen haben.
Das Szenario der Commerzbank
Es ist durchaus richtig und im Sinne des Unternehmens, wenn in den Geschäftsberichten die Risiken beschrieben werden, die das Business der Bank beinträchtigen können. Schaut man sich den Commerzbank Bericht für 2022 wird aber deutlich, dass die Verfasser einen gewissen Gefallen an Horror-Visionen gefunden haben. Das komplette Geschäftsstatement zum vergangenen Jahr umfasst 324 Seiten. Rund 40 Seiten davon widmen sich ausschließlich dem Beschreiben von Risiken. Der neutrale Leser könnte fast meinen, dass in der Geschäftsführung und im Vorstand der Commerzbank Weltuntergangsstimmung Einzug gehalten hat.
Die krasseste Situation in der Augen der Commerzbank kann sich am Opernplatz in Frankfurt abspielen. Der immer reichlich bevölkerte Treffpunkt in der Mainmetropole wird von einer tausend Grad heißen Feuerwalze erfasst und versenkt. In apokalyptischer Manier beschreibt die Commerzbank wie im Anschluss alle umstehenden Hochhäuser wie Dominosteine zusammenfallen und direkt danach ein Atompilz über der Metropole aufsteigt. Es herrschen chaotische Zustände. Ein Science-Fiction Roman könnte nicht besser geschrieben sein.
Im Fazit wird im Commerzbank Geschäftsbericht erwähnt, dass ein „Ausfall von Deutschland“ drohe, der die Abwicklung der eigenen Geschäfte erschwert. Es wird von einem taktischen Atomschlag gegen Frankfurt am Main ausgegangen, da sich hier das deutsche Finanzzentrum, einschließlich des eigenen Hauptsitzes, befindet.
Die Apokalypse in Deutschland ist aber nicht die einzige Vision, die der Commerzbank die Runde gemacht hat. In dem veröffentlichen Papier werden weitere Horror-Szenarien ausführlich beschrieben, beispielsweise:
- Der Zerfall der Eurozone durch Turbulenzen in der Wirtschaft und am Finanzmarkt.
- Der Zusammenbruch von verschiedenen, europäischen Ländern, teilweise direkt mehrerer Staaten durch den Domino-Effekt.
- Der wirtschaftliche Totalausfall und politische Zusammenbruch der USA.
- Der Zusammenbruch des gesamten weltweiten Finanzsystems durch Cyberattacken bis hin zum Bank-Run durch die Kunden.
Risikobeschreibung der Commerzbank hebt sich ab
Wie bereits beschrieben, sind die Risiko-Erwägungen und das Beschreiben von Konsequenzen in den Geschäftsberichten der Groß-Unternehmen keine Seltenheit. Bisher war es aber Standard, dass derartige Dinge sehr allgemein und kurz gehalten wurden. Die Commerzbank ist mit ihrer Geschäftsdarstellung des letzten Jahres auf eine neue Ebene nach oben geschossen. Kein anderes Wirtschaftsunternehmen und keine andere Bank hat eventuelle Risiken der ausgeschmückt und konkret beschrieben, bisher.
In den Geschäftsberichten vom Frankfurter Flughafen-Betreiber Fraport sowie von der Deutschen Bank wird ebenfalls auf die Risiken durch den Ukraine-Krieg hingewiesen, jedoch sehr allgemein und zurückhaltend. Mit der Auslöschung der Heimatstadt wird sich in der Risikobewertung der Unternehmen nicht beschäftigt bzw. wird das Horrorszenario nicht beschrieben.
Commerzbank bezieht öffentlich Stellung
Das Papier der Commerzbank hat natürlich „öffentliche Wellen“ geschlagen. Mittlerweile sah sich die Geschäftsführung des Kreditinstitutes zu einigen Klarstellungen veranlasst. Es werden in den Risiko-Abwägungen immer auch unwahrscheinliche und extrem unwahrscheinliche Szenarien beschrieben. In den Beschreibungen werden alle aktuellen Entwicklung auf dem Globus einbezogen. Frankfurt habe als Finanzzentrum eine neuralgische Bedeutung. Da die geopolitische Situation einen Einsatz von Atomwaffen nicht gänzlich unmöglich erscheinen lässt, wurde die Möglichkeit in den Geschäftsbericht aufgenommen.
Grundsätzlich geht es in dem Papier darum, den Vorstand der Bank und den Risikoausschuss des Aufsichtsrates über mögliche Risiken zu informieren, die das eigene Geschäftsumfeld beeinflussen können. In der Stellungnahme wird von Risikostrategie und Risikosteuerung gesprochen, welche einen informativen Charakter hat.
Praktisch hat das Kapital des Geschäftsberichtes aber keinen Einfluss auf die Arbeit der Commerzbank. Es werden keine Vorkehrungen für einen Atomschlag getroffen, da man schlussendlich in der Bewertung selbst zur Erkenntnis kommt, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering sei.