Die Nachricht ist keine wirkliche Überraschung. Die Anzahl der Kreditausfälle 2023 wird steigen, wenn auch vermutlich noch nicht in dramatischer Art und Weise. Die Lage in Deutschland ist in den privaten Haushalten sowie in den mittelständigen Betrieben mehr als angespannt. Vielfach wissen die Verbraucher und die Firmen nicht mehr, wie die nächsten Raten für die laufenden Finanzierungen bezahlt werden sollen.
Die Beratungsfirma EY hat im Auftrag der Europäischen Kommission eine Analyse unter den Name „European Bank Lending Forecast“ erstellt und vor wenigen Tagen veröffentlicht. In der Studie gibt’s einen detaillierten Blick auf die kommenden Monate. Wir haben uns das Papier für Sie näher angeschaut und ihnen die wichtigsten Zahlen aus der Veröffentlichung zusammengestellt.
Notleidende Kredite werden sich verdoppeln
Aktuell haben die Banken und Sparkassen hierzulande mit 1,2 % notleidender Kredite zu kämpfen. Dies heißt, in den Büchern der Kreditinstitute stehen Darlehen von 1,2%, die von Gläubigern momentan nicht bedient werden. Im Bezug auf das Gesamtvolumen ist dies sicherlich ein moderater Wert. Die EY Analysten gehen in ihrer Vorhersage nun davon aus, dass sich dieser Wert bis Ende des Jahres auf 2,3 % erhöhen, also fast verdoppeln wird. Die Häufigkeit der Kreditausfälle wird stark steigen, sowohl im privaten Sektor, als auch bei den Unternehmen.
Die Studie kommt zum Schluss, dass die Kreditausfälle aufgrund der allgemeinen Inflation und der hohen Energiekosten eigentlich schon 2022 hätte höher sein müssen. Die staatlichen Hilfsmaßnahmen für Privat-Bereich sowie die Lockerung des Insolvenzrechtes für Firmen haben aber geholfen, notleidende Kredite weitestgehend zu verhindern. 2023 ist indes mit einem Nachholeffekt zu rechnen. Der Staat können, so die EY Prognose, nicht dauerhaft in die Bonität der Bürger und Unternehmen eingreifen.
Die Vorhersage im „European Bank Lending Forecast“ Bericht beruht auf der Annahme, dass die Wirtschaft in Deutschland in eine Rezession von ca. -1,1 % kommt. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung hierzulande wird von den Fachleuten damit deutlich höher gesehen als restlichen Euroraum, für den nur ein Minus von 0,1 % prophezeit wird.
Keine Risiken für die deutschen Banken
Obwohl zahlreiche Darlehen von den Banken abgeschrieben werden müssen, wird die deutsche Kreditwirtschaft laut EY-Analyse nicht in eine Schieflage geraten. Ein Zahlungsausfall von 2,3 % der Verträge ist für die Kreditgeber locker zu verkraften.
Neue Firmendarlehen werden einbrechen
Der Leiter des Bereiches Banken und Kapitalmärkte bei EY Financial Services, Robert Melnyk, weißt in seiner Studien-Veröffentlichungen noch auf einen zweiten Punkt hin. Die Nachfrage nach neuen Firmenkrediten wird Deutschland 2023 drastisch sinken. Laut Melnyk habe Deutschland ein strukturelles Probleme zu lösen. Der Produktionssektor war auf die günstigen Energielieferungen aus Russland angewiesen und wird keine Möglichkeit haben, die Geschäftsmodelle schnell und nachhaltig umzustellen. Deutschland steht daher im Bereich der möglichen Neuverschuldungen schlechter als die anderen Ländern der Europäischen Union da.
2022 war im Bereich der Firmenkredite im deutschen Bankensektor noch ein Rekordjahr. Die Nachfrage bei den Kreditinstituten war um satte 6,4 % gestiegen. Für 2023 prognostizieren die Analysten nun aber einen Rückgang von 2,9 % bei der Nachfrage nach Unternehmensfinanzierungen. Zum Vergleich. In der gesamten Eurozone wird das Minus bei 2,7 % gesehen.
Rückgang auch bei den Immobilienkrediten vorhersehbar
Ein Minus wird’s zudem bei der Vergabe von Immobilienkrediten geben. Die Gründe sind an bei den Bau- und Kauffinanzierungen unterschiedlich. Richtig ist, dass die Zinswende ihren Teil zur mangelnden Nachfrage beigetragen hat. Genauso richtig ist aber, dass die Immobilienpreise in Deutschland zwischen dem ersten Quartal 2019 bis Mitte 2022 im Durchschnitt um 35 % gestiegen sind. Die Banken sehen die Immobilien in vielen Regionen mittlerweile als überbewertet an und halten sich deshalb bei der Darlehensvergabe zurück.
2022 war im Immobilien-Finanzierungssektor ein geteiltes Jahr. Anfangs sind die Nachfrage-Zahlen noch steil in die Höhe geschossen. Nachdem die Zinsen erhöht wurden, ist das Finanzierungsaufkommen rapide gesunken. Für die kommenden Monate sehen die EY-Fachleute für die Häuslebauer eher schwarz. Es werde immer schwieriger einer nachhaltige Finanzierung auf die Beine stellen. Erstens haben die Banken intern engere Richtlinien und zweitens werden die Geldhäuser bei der Langfristigkeit unter Annahme weiter steigender Kosten noch genauer prüfen. EY glaubt, dass der Immobilien-Finanzierungsbestand 2023 um 0,1 % sinkt, währenddessen er in Europa um weitere 0,3 % steigt.