
Wenn ein laufender Kredit mit fester Zinsbindung, beispielsweise ein Baufinanzierungsdarlehen, vorzeitig zurückgezahlt werden soll, so ist dies im Regelfall nur gegen Zahlung einer so genannten „Vorfälligkeitsentschädigung“ möglich. Doch was versteht man unter dem Begriff „Vorfälligkeitsentschädigung“? Wie werden die Ausgleichszahlungen an die Bank berechnet und in welchen Situationen fallen sie an? Der folgende Artikel beschäftigt sich mit dem Thema „Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kreditrückzahlung“ und beinhaltet neben allgemeinen Informationen auch zahlreiche Tipps und Tricks für Kreditnehmer.
Was wird unter dem Begriff „Vorfälligkeitsentschädigung“ verstanden?
Unter dem Begriff „Vorfälligkeitsentschädigung“ versteht man im Bankenjargon eine Art „Ausgleichszahlung“, welche immer dann anfällt, wenn ein Kreditnehmer einen Kredit mit fester Laufzeit beziehungsweise Sollzinsbindung vorzeitig zurückzahlen möchte. Hintergrund für das Anfallen der Vorfälligkeitsentschädigung ist die Tatsache, dass die Bank im Rahmen der Kreditvergabe gewisse Zinseinnahmen einkalkuliert und diese unter Umständen auch in den Zinssatz eingepreist hat. Kommt es zu einer vorzeitigen und zumindest aus Bankensicht ungeplanten Rückzahlung, so entfällt ein Teil der eingeplanten Zinseinnahmen. Dazu erhält die Bank das verliehene Kapital wesentlich früher zurück und muss es zu aktuellen Marktbedingungen wieder neu verleihen oder anlegen. Um den finanziellen Nachteil auszugleichen, berechnen Banken zum jeweiligen Rückzahlungstermin eine Vorfälligkeitsentschädigung, wobei es von Bank zu Bank unterschiedlich ist, welche Formel als Berechnungsgrundlage verwendet wird. Die Bank kann den zu früh zurückerhaltenen Kreditbetrag sowie den jeweiligen Zinssatz entweder mit dem Zinsniveau am Geldmarkt (Aktiv gegen Passiv) oder dem Kreditzinsniveau (Aktiv gegen Aktiv) vergleichen. In der aktuellen Niedrigzinsphase wäre es für die Kreditnehmer, welche zum Teil alte Kredite mit Konditionen oberhalb der 4,00%-Grenze zurückführen möchte, natürlich von Vorteil, wenn die Bank Aktiv und Aktiv miteinander vergleichen würde. In der Praxis vergleichen die Banken den Zinssatz des alten Kreditvertrages jedoch eher mit dem aktuellen Zinsniveau auf Sparbüchern und Tagesgeldkonten, zumal für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Regelfall auch noch ein einmaliges Bearbeitungsentgelt anfällt.
In diesen Situationen berechnen Banken eine Vorfälligkeitsentschädigung
Banken berechnen bei der vorzeitigen Rückzahlung eines Kredites immer dann eine Vorfälligkeitsentschädigung, wenn der Kreditvertrag eine festgeschriebene Laufzeit beziehungsweise Zinsbindung hatte. Dies ist im Regelfall vor allem bei Baufinanzierungskrediten der Fall, wobei es auch einige 0,00%-Finanzierungen gibt, welche nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zurückgeführt werden können. Dies klingt im ersten Augenblick zwar etwas paradox, hängt jedoch ganz einfach damit zusammen, dass die Bearbeitung einer vorzeitigen Rückzahlung für buchhalterischen Aufwand sorgt, welcher im Rahmen einer 0,00%-Finanzierung nicht eingeplant ist. Auch wenn es nicht um die Rückzahlung der kompletten Restschuld, sondern nur um eine höhere Einmalzahlung geht, können Banken die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Dies gilt für alle Sondertilgungen, welche gemessen an ihrer Höhe über dem im Kreditvertrag geregelten Sondertilgungsrecht liegen. Grundsätzlich gibt es in Standardkreditverträgen keine feste Regelung für eine spätere Rückzahlung gegen Vorfälligkeit. Ob und in welcher Höhe die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt, kann daher stets individuell von ihr entschieden werden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass der Kreditnehmer bei Standardkreditverträgen keinen Rechtsanspruch für eine vorzeitige Rückzahlung besitzt.
Gibt es vorzeitige Rückzahlungen bei denen die Bank auf eine Entschädigung verzichtet?
Gemäß dem Sprichwort „Ausnahmen bestätigen die Regel“ gibt es natürlich auch beim Thema „Vorfälligkeitsentschädigung“ Situationen, in denen Banken anders handeln und durchaus bereit sind, auf die komplette Vorfälligkeitsentschädigung oder zumindest auf einen Teil der berechneten Summe zu verzichten. Hierfür ist jedoch stets eine Kulanzentscheidung erforderlich, welche von der Bank beispielsweise im Todesfall des Kreditnehmers getroffen wird (beispielsweise um den Erben des Kreditnehmers entgegenzukommen). Darüber hinaus kann es im Todesfall sein, dass ein Kreditinstitut auf die Vorfälligkeitsentschädigung verzichtet, wenn im Vorfeld bei der hausinternen Versicherungsgesellschaft eine Risikolebensversicherung abgeschlossen wurde. Ein weiterer Kulanzfall kann die Scheidung von zwei verheirateten Kreditnehmern sein, wobei derartige Entscheidungen von Bank zu Bank unterschiedlich sind.
Tipps und Tricks rund um das Thema „Vorfälligkeitsentschädigung“
Wer eine vorzeitige Kreditrückzahlung plant und weiß, dass die beteiligte Bank unter „normalen Umständen“ die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verlangen wird, der sollte sofort das persönliche Gespräch mit der jeweiligen Bank suchen. Erfahrungen zeigen, dass es für die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung äußerst sinnvoll ist, wenn von Anfang an mit ehrlichen und „offenen Karten“ gespielt wird. Ein sehr gutes Vertrauensverhältnis beziehungsweise eine langjährige und stets aktive Kundenbeziehung ist für zahlreiche Kreditinstitute ebenfalls ein Grund, um Kreditnehmern beim Thema Vorfälligkeitsentschädigung entgegenzukommen. Ein gewisses Verhandlungsgeschick ist in diesen Situationen natürlich von Vorteil, wobei man aufpassen muss, dass die gewählten Formulierungen nicht zu fordernd auf den jeweiligen Bankberater wirken. Zahlreiche Berater fühlen sich schnell unter Druck gesetzt und verlieren dadurch das Interesse an einer kundenfreundlichen Kulanzentscheidung. Signale hierfür sind Standardsätze wie „Ich kann an der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung leider nichts machen“ oder „Dies ist die hausinterne Vorgehensweise unserer Bank“, denn in der Praxis können Baufinanzierungsberater zu 100% einen Antrag auf Kulanz beziehungsweise eine geminderte Vorfälligkeitsentschädigung stellen. Es ist daher nur eine Frage des Wollens beziehungsweise der Kulanzbereitschaft.
Fazit: Die so genannte „Vorfälligkeitsentschädigung“ ist eine Art Ausgleichszahlung, welche immer dann anfällt, wenn die Bank die Restschuld eines Kreditvertrages, welcher eigentlich eine feste Laufzeit beziehungsweise feste Zinsbindung besitzt, vorzeitig zurückerhält. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Bank im Rahmen der Vertragslaufzeit mit festen Zinseinnahmen kalkuliert hat, welche unter Umständen auch ausschlaggebend für die Kreditzusage waren. Durch die vorzeitige Rückzahlung verliert die Bank zumindest ein Teil dieser einkalkulierten Zinseinnahmen, weshalb abgesehen von gewissen Kulanzfällen (von Bank zu Bank unterschiedlich) stets die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verlangt wird. Um die Höhe der Ausgleichszahlung möglichst gering zu halten, sollte von Anfang an ein offener Austausch mit der jeweiligen Bank stattfinden.