
Wer im Zeitalter der aktuellen Niedrigzinsphase über laufende Kreditverträge verfügt, der steht häufig vor einer schwierigen Frage: Soll freie Liquidität lieber zur Sondertilgung oder für eine separate Geldanlage verwendet werden? Beide Varianten haben zweifelsfrei ihre Vor- und Nachteile, hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit bieten Sondertilgungen im Regelfall jedoch eine wesentlich höhere und vor allem sichere Rendite. Diese Aussage greift vor allem bei Privatkrediten oder Darlehen einer Baufinanzierung, welche bereits vor einigen Jahren und damit vor dem Beginn des historischen Zinstiefs aufgenommen wurden.
Der folgende Artikel geht auf die Vor- und Nachteile von Sondertilgungen ein und beinhaltet zahlreiche Tipps, welche rund um die Fragestellung „Sondertilgung oder Geldanlage?“ beachtet werden sollten.
Die Vorteile einer Sondertilgung
Geringere Restschuld sorgt für niedrigere Kosten
Neben der Anpassung der monatlichen Rate ist eine Sondertilgung die einzige Möglichkeit, um Laufzeit und Kosten eines Kredites zu beeinflussen. Wer eine Sondertilgung durchführt, der sorgt für eine geringere Restschuld, welche wiederum eine kürzere Laufzeit und geringere Gesamtkosten mit sich bringt. Eine Sondertilgung bietet eine „umgekehrte Rendite“, da der Kreditnehmer sein Geld nicht klassisch spart, indem es sich durch eine Verzinsung oder eine Wertentwicklung vermehrt, es fallen allerdings geringere Zinskosten an, welche vom Kreditnehmer zusätzlich zur Tilgung zutragen sind. Die Ersparnis einer Sondertilgung ist dazu garantiert, sicher und frei von Risiken, was insbesondere im Vergleich zu Geldanlagen außerhalb des konservativen und risikoscheuen Bereiches ein klarer Vorteil ist.
Bei aktuellen Tagesgeldzinssätzen von circa 0,50% p.a. sind insbesondere Privatkredite sehr attraktiv für Sondertilgungen. Privatkreditverträge werden im Regelfall ohne dingliche Besicherung abgeschlossen, was für höhere Zinssätze von 5,00%, 7,00% oder höher sorgt. Im Vergleich zum Zinsniveau von Tagesgeldkonten, Festgeldern und Co. ist die Durchführung von Sondertilgungen damit sehr wirtschaftlich. Dazu kommt, dass Privat- und Konsumentenkredite im Regelfall über ein uneingeschränktes Sondertilgungsrecht verfügen. Ein offener Kreditbetrag kann daher auch komplett durch Eigenkapital abgelöst werden, wobei die Zinskosten, welche bei „normalem“ Verlauf des Kredites entstanden wären, die Ersparnis für den Kreditnehmer darstellen. Sondertilgungen sind daher in erster Linie vorteilhaft um Kosten zu sparen, die Kreditlaufzeit zu reduzieren und somit dafür zu sorgen, dass die monatliche Rate frei wird und dem Kreditnehmer zur Verfügung steht.
Sondertilgungen binden das Kapital ohne Flexibilität für den Schuldner
Aus Sicht des Kreditnehmers stellt jede Sondertilgung eine „Einbahnstraße“ dar, welche eine nicht rückgängig zu machende Kapitalbindung mit sich bringt. Es ist aus diesem Grund sehr wichtig, dass Sondertilgungen vor ihrer Durchführung stets gut geplant werden. Die endgültige Kapitalbindung ist der größte Nachteil im Vergleich zu einer Geldanlage. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit sorgen Sondertilgungen zwar fast immer für eine höhere Rendite, der Kreditnehmer kann über das Geld jedoch nicht mehr verfügen und baut sich daher keine freien Kapitalreserven auf. Die Beurteilung, welche der beiden Varianten besser beziehungsweise geeigneter für einen Kreditnehmer ist, muss daher stets individuell anhand der finanziellen Situation erfolgen. Verfügt ein Kreditnehmer bereits über weitere Liquiditätsreserven, so ist es klar zu empfehlen, vorhandene Sondertilgungsmöglichkeiten grenzenlos auszuschöpfen. Handelt es sich bei dem Guthaben für die potenzielle Sondertilgung jedoch um die einzigen Kapitalrücklagen, so sollte ein gewisser Teil stets für unvorhergesehene Kosten oder Ähnliches verfügbar bleiben.
„Tilgen oder Sparen?“ berücksichtigt werden
Wenn es um die Entscheidung „Tilgen oder Sparen“ geht, so muss zuerst einmal geprüft werden, wie der jeweilige Kreditnehmer finanzielle aufgestellt ist (Bestehen ausreichende Liquiditätsreserven? Sind in der kommenden Zeit anderweitige Investitionen geplant?). Darüber hinaus muss natürlich genau geprüft werden, welche Sondertilgungsmöglichkeiten die bestehenden Kreditverträge beinhalten. Bei einem Privatkredit haben Schuldner im Regelfall ein unbegrenztes Sondertilgungsrecht. Bei Baufinanzierungskrediten sieht dies jedoch schon ganz anders aus, sodass Kreditnehmer normalerweise Beträge von 5,00 bis 10,00% des ursprünglichen Darlehensbetrags pro Jahr als Sondertilgung leisten dürfen. Höhere Sondertilgungsoptionen sind bei Baudarlehen nur möglich, wenn sie bei Vertragsabschluss explizit mit dem jeweiligen Kreditinstitut vereinbart wurden (im Regelfall ist dies nur gegen Berechnung einer so genannten „Optionsprämie“ möglich).
Wenn der Kreditnehmer die ihm zustehenden Möglichkeiten einer Sondertilgung im Vorfeld nicht überprüft, so läuft er die Gefahr, dass der Kreditgeber für die Durchführung der veranlassten Sondertilgung eine Vorfälligkeitsentschädigung berechnet. Durch die Vorfälligkeitsentschädigung lässt sich der Kreditgeber seinen finanziellen Nachteil ausgleichen, welcher dadurch entsteht, dass die geplanten Zinseinnahmen nicht über den im Kreditvertrag festgelegten Zeitraum generiert werden. Bei einer Vorfälligkeit entfällt die Ersparnis der nicht gezahlten Zinsen nahezu komplett, sodass dem Kreditnehmer einzig und allein der Vorteil der Laufzeitverkürzung bleibt. Es ist daher fatal und alles andere als empfehlenswert, einfach einen beliebigen Betrag per Sondertilgung auf ein Baufinanzierungsdarlehen zu überweisen. Die Höhe der Sondertilgung sollte stets mit dem Kreditvertrag abgeglichen oder direkt mit dem jeweiligen Kreditinstitut besprochen werden.
Fazit: Es steht außer Frage, dass Kreditnehmer insbesondere in der aktuellen Niedrigzinsphase wesentlich mehr Geld bei einer Sondertilgung sparen als sie bei gleichem Geldeinsatz mit einer sicheren Geldanlage verdienen können. Dennoch ist es sehr wichtig, dass Sondertilgungen, ganz egal ob bei Privatkrediten oder Baufinanzierungsdarlehen, nicht einfach „blind“ und ohne Vorbereitung durchgeführt werden. Auf der einen Seite ist es extrem wichtig, dass der Kreditnehmer über ausreichende Liquiditätsreserven verfügt, da eine Sondertilgung stets endgültig ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Auf der anderen Seite ist es enorm wichtig, dass die geplante Sondertilgung auch zu dem im Kreditvertrag eingeräumten Sondertilgungsrecht passt. Bei einer zu hohen Sondertilgung berechnen Banken eine Vorfälligkeitsentschädigung, welche nahezu den gesamten Vorteil der gesparten Zinsen wieder egalisiert. Bei einem geringen oder überhaupt nicht vorhandenen Sondertilgungsrecht stellt die Geldanlage, zu welchem Zinssatz auch immer, dann doch die bessere Lösung dar.